Welchen Einfluss hat die Psyche auf Rheuma?

Rheumatische Erkrankungen zählen zu den komplexesten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Sie betreffen nicht nur die Gelenke, sondern oft den gesamten Organismus und wirken sich stark auf die Lebensqualität der Betroffenen aus. Doch was, wenn hinter den körperlichen Symptomen nicht nur biochemische Prozesse stehen, sondern auch seelische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen?

Bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich der Psychoanalytiker Franz Alexander mit genau dieser Frage. Als Pionier der psychosomatischen Medizin entwickelte er das Konzept der „Krankheitspersönlichkeiten“ und stellte eine Liste von sieben Krankheiten auf, die er als besonders stark durch psychische Faktoren beeinflusst ansah – die sogenannten Holy Seven. Rheuma ist eine dieser Erkrankungen, und Alexander führte ihre Entstehung unter anderem auf spezifische Persönlichkeitsstrukturen und emotionale Konflikte zurück. Weitere Erkrankungen sind Magengeschwür/Zwölffingerdarmgeschwür, Bronchialasthma, Neurodermitis, Bluthochdruck, Schildrüsenüberfunktion und Morbus Crohn. Einige Quellen zählen auch Migräne dazu.

In der modernen Wissenschaft greift die Psychoneuroimmunologie (PNI) viele dieser Überlegungen wieder auf. Dieses interdisziplinäre Forschungsfeld untersucht, wie Psyche, Nervensystem und Immunsystem zusammenwirken – ein Ansatz, der die komplexen Zusammenhänge zwischen Stress, Emotionen und chronischen Entzündungen wie Rheuma eindrucksvoll erklärt.

Dieser Blogbeitrag beleuchtet das Konzept von Franz Alexander die Einordnung von Rheuma und was Psychoneuroimmunologie eigentlich ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Psyche eine große Rolle auf den Verlauf der Erkrankung hat.

Rheuma als psychosomatische Erkrankung

Innerhalb der Holy Seven nahm Rheuma eine besondere Stellung ein. Alexander argumentierte, dass chronische rheumatische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis häufig mit einem spezifischen psychologischen Muster verbunden seien. Er beschrieb die sogenannte „rheumatische Persönlichkeit“, die sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnet:

  • Perfektionismus: Ein starker Drang nach Kontrolle und Ordnung, häufig begleitet von der Angst, Erwartungen nicht zu erfüllen.
  • Unterdrückte Aggression: Menschen mit rheumatischen Erkrankungen neigen dazu, ihre Wut oder Enttäuschung nicht offen auszudrücken, sondern diese Gefühle „innerlich zu verschließen“.
  • Selbstaufopferung: Oft handelt es sich um Personen, die sich stark für andere einsetzen und dabei ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen.

Alexander sah rheumatische Erkrankungen als einen Ausdruck von innerem Konflikt: Unterdrückte Emotionen, vor allem Wut, könnten zu chronischem Stress führen, der das Immunsystem negativ beeinflusst. Dies begünstige Entzündungen und Schmerzen in den Gelenken, so seine These.

Bedeutung der „Holy Seven“ in der heutigen Zeit

Auch wenn die Theorie der Holy Seven heute nicht mehr als alleinige Erklärung für diese Krankheiten angesehen wird, hat sie den Grundstein für ein neues Verständnis gelegt. Sie regte an, nicht nur die Symptome einer Krankheit zu behandeln, sondern auch deren psychische und emotionale Wurzeln zu berücksichtigen. Im Fall von Rheuma zeigt sich, dass Alexanders Thesen mit modernen Erkenntnissen der Psychoneuroimmunologie korrespondieren – einer Disziplin, die wissenschaftlich untersucht, wie Stress und Emotionen das Immunsystem beeinflussen und chronische Entzündungen fördern können.

Franz Alexanders Arbeit erinnert uns daran, dass körperliche und seelische Gesundheit untrennbar miteinander verbunden sind. Dieses Verständnis ist auch heute noch eine wertvolle Perspektive in der Medizin, insbesondere bei komplexen Erkrankungen wie Rheuma.

Psychoneuroimmunologie | die moderne Perspektive

Was ist Psychoneuroimmunologie?

Die Psychoneuroimmunologie (PNI) ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das die Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nervensystem und Immunsystem untersucht. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass diese drei Systeme eng miteinander verknüpft sind und in ständigem Austausch stehen. Emotionale und psychische Zustände, wie Stress oder Freude, können direkte Auswirkungen auf das Immunsystem haben und damit die Anfälligkeit für Krankheiten beeinflussen.

Ein zentraler Mechanismus der PNI ist die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin. Diese Hormone, die vom Nervensystem gesteuert werden, wirken auf das Immunsystem und können dessen Funktion modulieren – positiv oder negativ, abhängig von der Intensität und Dauer des Stressreizes.

PNI ermöglicht ein tieferes Verständnis dafür, warum manche Menschen trotz vergleichbarer biologischer Risikofaktoren anfälliger für Krankheiten wie Rheuma sind, während andere gesund bleiben. Dieses Zusammenspiel von psychischen und physischen Prozessen ist essenziell für das Verständnis chronisch entzündlicher Erkrankungen.

Zusammenhang zwischen Stress, Immunsystem und Rheuma

Chronischer Stress ist einer der Hauptfaktoren, die die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen können. Bei rheumatischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift und Entzündungen in den Gelenken verursacht.
Stress wirkt hier als Verstärker für entzündliche Prozesse:

  • Hormonelle Einflüsse: Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin beeinflussen die Aktivität von Immunzellen. Während akuter Stress kurzfristig das Immunsystem ankurbeln kann, führt chronischer Stress zu einer Dysregulation, die entzündliche Reaktionen fördert.
  • Veränderung von Zytokinen: Stress kann die Produktion entzündungsfördernder Botenstoffe (Zytokine) wie TNF-Alpha und Interleukin-6 steigern, die bei Rheuma eine zentrale Rolle spielen.
  • Beeinflussung des vegetativen Nervensystems: Chronische Belastungen wirken sich auf das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus aus, was ebenfalls entzündliche Prozesse begünstigen kann.

    Dieser Mechanismus erklärt, warum Betroffene oft in Phasen von emotionaler Belastung eine Verschlimmerung ihrer Symptome erleben. Die Erkenntnisse der PNI bestätigen, dass die psychische Gesundheit eng mit dem Verlauf von Rheuma verknüpft ist.

    Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Psychoneuroimmunologie gemacht. Leider gibt es noch nicht sehr viele in Deutschland und oft muss man einen etwas weiteren Weg auf sich nehmen. Hier gibt es ein Verzeichnis zu Psychoneuroimmunologen.

    Durch die Psychoneuroimmunologie wird deutlich, dass Rheuma keine rein körperliche Krankheit ist. Sie zeigt vielmehr, wie wichtig ein interdisziplinärer Ansatz ist, der die Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nervensystem und Immunsystem berücksichtigt. Solche Erkenntnisse sind nicht nur ein Gewinn für die Forschung, sondern auch für Betroffene, die von einer ganzheitlichen Behandlung profitieren können.

    Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verbindung von Psyche und Rheuma

    Die Psychoneuroimmunologie hat in den letzten Jahren zahlreiche Studien hervorgebracht, die den Einfluss der Psyche auf das Immunsystem und damit auf rheumatische Erkrankungen belegen:

    • Stress und Krankheitsschübe: Studien zeigen, dass Betroffene mit chronischem Stress häufiger und intensivere Krankheitsschübe erleben. Dabei wurde ein direkter Zusammenhang zwischen Stresshormonen und entzündlichen Markern im Blut festgestellt.
    • Psychotherapie als ergänzende Therapie: Untersuchungen haben gezeigt, dass psychologische Interventionen wie Stressbewältigung, Achtsamkeitstraining und kognitive Verhaltenstherapie nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern auch die Entzündungsaktivität bei Rheuma reduzieren können.
    • Langfristige Effekte von emotionaler Verarbeitung: Menschen, die aktiv an der Verarbeitung von emotionalem Stress arbeiten, berichten von einer besseren Symptomkontrolle und einem geringeren Fortschreiten der Erkrankung.

    Fazit

    Die Psyche hat einen großen Einfluss auf Rheuma, die man nicht ausser acht lassen sollte. Aber nicht immer lässt sich Stress, Druck oder andere Faktoren vermeiden. Wichtig ist, seinen Weg zu finden damit umzugehen. Mir hat Mediation und Achtsamkeit im Alltag sehr geholfen. Zu Wissen wie ich mich in stressigen Situationen entspannen kann und wenn es nur ein paar Minuten sind, hilft mir ungemein. Auch die Auseinandersetzung mit der Psychoneuroimmunologie hat mir ungemein geholfen.

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